Das Wort Gottes ist Gott selbst. Es ist lebendig und weist sich stets durch den erbauenden Geist der Liebe aus. Im Wort erlebt der Glaubende die direkte Begegnung mit Gott und seiner verwandelnden Kraft.
Worte sind Geist
Worte transportieren geistliche Kräfte. Jeder kennt die natürliche Komponente von Worten: Bestimmte Laute bzw. Schriftzeichen mit einer bestimmten Bedeutung. In Wahrheit besitzen Worte jedoch eine geistliche Wirklichkeit. Schon scheinbar belanglose Worte transportieren den Geist, von dem der Impuls ausging, sie zu sprechen oder zu schreiben. Jeder sensible Mensch empfindet in jeglichen mitgeteilten Worten zusätzlich zu deren direkter Bedeutung noch so etwas wie einen „Unterton“ oder einen „Beigeschmack“. So können scheinbar positive Worte doch verletzend sein, oder aber scheinbar unbedeutendes Gerede kann motivierende Lebensfreude vermitteln. Natürlich ist eine angemessene und präzise Formulierung immer wünschenswert. In jeglichen Worten, die den zwischenmenschlichen Bereich betreffen, ist jedoch der begleitende Geist entscheidend.
Gott ist Wort und Geist
Wenn Menschen sprechen, sind ihre Worte von unterschiedlichsten Energien begleitet. Aus dem Affekt oder um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, bedienen sie sich der unterschiedlichsten geistlichen Wirksamkeiten. Wenn jemand jedoch frei „aus seinem Herzen“ redet, sind seine Worte von seinem eigenen Geist begleitet – derjenige teilt sich selbst mit. Gott ist souverän und frei. Sein Wort ist damit immer authentisch und verlässlich. In seinem Wort teilt er sich stets selbst mit, denn die einzige Energie, die das Wort Gottes begleitet, ist seine eigene Natur: die selbstlose Liebe. Jesus demonstrierte dies, als er auf der Erde war. Er ließ sich weder von gesellschaftlichen Erwartungen dazu bringen, eine zweckmäßige Rolle einzunehmen, noch zu jeglicher ungewollten Spontanreaktion nötigen. Als sie ihn fragten, wer er sei, antwortete er: Zuerst das, was ich zu euch rede!1 Deshalb schreibt Johannes über die Menschwerdung Jesu: Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.2.
Gott ist also sein Wort. Johannes beginnt sein Evangelium, indem er schreibt: Im Anfang war das Wort ... und das Wort war Gott. ... In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.3 Durch sein Wort teilt Gott sich selbst dieser Welt mit. Jesus sagt: Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben!4
Die Natur dieses Geistes ist selbstlose Liebe. Das Wort Gottes ist nur dann das Wort Gottes, wenn es vom lebendig machenden Geist der Liebe begleitet wird. So ist selbst wörtliche Rede Jesu, aus der heiligen Schrift zitiert, nicht mehr das Wort Gottes, wenn es nicht im Geist der Liebe gesprochen wird. Jegliches Zitat kann nur dann als Zitat gelten, wenn es in der Absicht und im Geiste des Verfassers verwendet wird.
Das Wort Gottes und die Bibel
Von Gott inspirierte Schrift
Häufig wird die Bibel von Christen als das Wort Gottes bezeichnet. Dabei ist sie eine Sammlung von Worten Gottes, Worten von Menschen und sogar Worten des Teufels. Paulus schreibt an Timotheus: Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit.5 Natürlich ist die Niederschrift der ganzen Bibel vom Geist Gottes inspiriert und jedes einzelne Buch darin birgt Schätze für den Lernbereiten. Dennoch ist es schlicht unsinnig, jeden Bibelvers als „das Wort Gottes“ zu bezeichnen. Diese Unterscheidung zwischen dem Wort Gottes und der heiligen Schrift ist dringend notwendig. Ansonsten bieten sich durch die Meinung, dass jeder Bibelvers gleichwertig als Wort Gottes zu gelten hätte, unzählige Möglichkeiten für spalterische Interpretationen. Die Kirchengeschichte zeigt, wie häufig dies zu ermüdenden Glaubensdiskussionen und Spaltungen geführt hat, während die Einheit des Geistes verlassen wurde. In vielen Fällen führte dies gar zu, vermeintlich durch das „Wort Gottes“ gerechtfertigten, Fanatismus. Aus einzelnen Bibelversen wurde ein detailliertes System eines, scheinbar von Gott gewollten, christlichen Lebens erstellt. Die religiösen Zwänge, die sich hieraus ergeben, greifen nicht nur tief in die persönliche Freiheit des Einzelnen ein, sondern reichen teilweise gar bis zur Verfolgung Andersdenkender. Ein derartiger Umgang mit der heiligen Schrift steht im direkten Widerspruch zum freimachenden Anspruch des Evangeliums. Paulus schreibt uns hierzu, dass der Buchstabe tötet, der Geist aber lebendig macht.6
Das Wort ist Geist und bewirkt Leben
Die neue Natur des wiedergeborenen Menschen und die geistliche Wirksamkeit des Wortes Gottes müssen erkannt werden. Ansonsten wird jede Gruppierung, die den Anspruch erhebt, das geschriebene oder gesprochene Wort Gottes zu haben, keine lebendigen und mündigen Menschen hervorbringen. Stattdessen entsteht für die Glaubenden, meist unbeabsichtigt und unbemerkt, nichts weiter als ein religiös-gesetzliches System der Lebensführung, das sich, aus Angst, dem Wort Gottes ungehorsam zu sein, niemand in Frage zu stellen traut.
Das echte Wort Gottes, geschrieben oder gesprochen, weist sich also selbst aus: durch den Geist der Liebe und seine erbauende, lebendig machende Wirkung. Es muss nicht von Menschen und deren momentaner Meinung auf bestimmte Formulierungen festgelegt werden. Dies zeigt sich alleine schon durch die Vielfalt der vorhandenen Bibelübersetzungen. Das lebendige Wort ist kraftvoll und wirksam. Es kann unterschiedlich formuliert werden und ist durch die geistliche Wirksamkeit trotzdem klar und präzise. Es ist der lebendige Gott selbst, der sein eigenes Wesen mitteilt und jedem Menschen frisch und persönlich begegnet.
Gemeinschaft im Wort
Das gläubige Hören des Wortes Gottes ist die direkte Begegnung mit Gott. Es ist die Gemeinschaft mit dem Geist Gottes in seinem Wort. Johannes sagt in seinem ersten Brief, dass er Worte des Lebens schreibt, durch die die Adressaten Gemeinschaft mit ihm und Gott haben:
Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben vom Wort des Lebens ... verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.7
Die Verkündigung des Evangeliums im Sinne Gottes ist also weder Wissensvermittlung noch die Einführung in die Praxis bestimmter Glaubensprinzipien. Die Predigt des Evangeliums vermittelt den Geist Gottes. Sie ermöglicht dem gläubigen Hörer also die direkte Begegnung mit Gott und dessen lebensverändernder Kraft.
Die Wirksamkeit des Wortes
Wo die geistliche Wirklichkeit und die Lebendigkeit des Wortes nicht erkannt werden, fehlt dem Glaubensleben eines Christen jegliches übernatürliche Element. Es bleibt die Kombination aus einer verstandesmäßigen, christlichen Weltanschauung und dem gesetzlichen Versuch, einer entsprechenden Moralvorstellung zu genügen. Dies ist meist selbst dann der Fall, wenn in dem entsprechenden Weltbild das Übernatürliche bejaht wird.
Tatsächlich schenkt Gott dem Gläubigen ein neues Leben. Durch das Wunder der Wiedergeburt gibt er ihm eine neue geistliche Natur. Die Erneuerung der negativ geprägten Seele und des Körpers findet durch die wirksame Kraft des lebendigen Wortes statt. Sie geschieht, indem wir ihm persönlich in der geistlichen Wirklichkeit seines Wortes begegnen. Die Gesundung und Erstarkung der ganzen menschlichen Persönlichkeit ist somit das übernatürliche Werk Gottes.
Über die Wirksamkeit seines Wortes sagt Gott durch den Propheten Jesaja: Denn wie der Regen fällt und vom Himmel der Schnee und nicht dahin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt, sie befruchtet und sie sprießen lässt, dass sie dem Sämann Samen gibt und Brot dem Essenden, so wird mein Wort sein, das aus meinem Mund hervorgeht. Es wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es wird bewirken, was mir gefällt, und ausführen, wozu ich es gesandt habe.8 Jakobus schreibt uns: Nehmt das eingepflanzte Wort mit Sanftmut auf, das eure Seelen zu retten vermag,9 und in Psalm 107 lesen wir: Er sandte sein Wort und heilte sie!10